New York Times Bestselling Author

Die Suche nach Elodie

Für die bekannte Köchin Elodie Winters wird ihr Traumjob bei einer mächtigen New Yorker Familie schnell zum Albtraum, als ihr Arbeitgeber sich als der Kopf einer berüchtigten Mafia-Familie entpuppt. Doch sie kann entkommen und als sie sich schließlich als Schiffsköchin auf dem Containerschiff Asaka Express im Arabischen Meer wiederfindet, fühlt sie sich sicher. Als das Schiff von Piraten gekapert wird, kann sie nicht glauben, was für ein Pech sie hat … doch ihr Schicksal steht kurz davor, sich zum Guten zu wenden.

Scott »Mustang« Webber wird zusammen mit seinem SEAL-Team beauftragt, im Mittleren Osten eine Schiffsentführung zu vereiteln. Alle sind überrascht, als sie über Funk die Stimme einer Frau hören, die um Hilfe ruft. Scott hat schnell den Eindruck, dass »Rachel Walters« etwas verbirgt, und bietet ihr seine Unterstützung an. Er spürt eine Verbindung zu ihr, die er gern weiter erkunden würde.

Als sie ihn einige Monate später auf Hawaii aufsucht, ist er zugleich geschockt und erfreut.
Sie in Sicherheit zu halten ist leicht … zumindest zunächst.
Die langen Tage im Paradies lassen einen nachlässig werden, und nun arbeitet Mustang nicht nur gegen die Zeit, sondern auch gegen die Elemente, als er die größte all seiner Missionen antritt – die Suche nach Elodie.

**»Die Suche nach Elodie« ist eine eigenständige Liebesgeschichte. Es ist das erste Buch der Reihe »Die SEALs von Hawaii«. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen und kann als eigenständiges Buch gelesen werden, es wird jedoch empfohlen, die Bände nacheinander zu lesen, um in den maximalen Genuss der Serie zu kommen.**

Kapitel Eins


Achtung! Achtung! Hier spricht Kapitän Conger. Unser Schiff wird von Piraten angegriffen. Dies ist keine Übung. Ich wiederhole, dies ist keine Übung. Bringen Sie sich selbst in Sicherheit, verstecken Sie sich, aber tun Sie nichts, das Sie selbst oder andere in Gefahr bringen könnte. Die Behörden wurden benachrichtigt. Wenn Sie Zugang zu einem Funkgerät haben, versuchen Sie, über die Notfallfrequenz andere Personen zu erreichen, die möglicherweise helfen können. Wir kennen dieses Schiff besser als die Piraten. Gehen Sie in Deckung und wenn Sie an Gott glauben … dann beten Sie.


Elodie Winters, der Crew der Asaka Express unter dem Namen Rachel Walters – oder einfach unter der Bezeichnung Chefköchin – bekannt, setzte sich in Bewegung, bevor der Kapitän seine Durchsage über die Bordlautsprecher beendet hatte. Vor einigen Tagen war die Besatzung darüber informiert worden, dass sie in gefährliche Gewässer im Golf von Aden vor Somalia und Jemen eindringen würden. Als Vorsichtsmaßnahme hatte sie im Bett ihre Kleidung anbehalten, aber tief im Inneren hatte Elodie nicht daran geglaubt, dass tatsächlich etwas passieren würde.

An Deck des Containerschiffes, auf dem sie arbeitete, befanden sich Schläuche, die als Wasserwerfer gegen jeden eingesetzt werden konnten, der dumm genug war, sich ihnen zu nähern. Es war Jahre her, seit sie das letzte Mal davon gehört hatte, dass ein großes Schiff wie ihres entführt worden war. Sie hatte keine Ahnung, ob die Wasserwerfer versagt hatten oder wie die Piraten an Bord gekommen waren.

Aber irgendwie war es ihnen offensichtlich gelungen.

Ihr Herzschlag raste, als sie sich in ihrem Quartier im Inneren des Schiffes in Bewegung setzte. Die Ingenieure und höherrangigen Offiziere hatten Kajüten in den oberen Decks, aber Elodie hatte nichts dagegen, weiter unten im Schiff zu schlafen. Sie hielt sich gern in der Nähe der Küche auf.

Als sie an Bord kam, war sie überrascht gewesen zu erfahren, dass jeder sein eigenes Zimmer hatte. Sie hatte erwartet, eine Kajüte teilen zu müssen. Allerdings bestand die Besatzung dieses Schiffes nur aus zweiundzwanzig Personen, im Gegensatz zu Kreuzfahrtschiffen mit Hunderten von Besatzungsmitgliedern und Tausenden von Gästen.

Theoretisch wusste Elodie, warum Piraten die großen Schiffe angriffen, die durch den Golf von Aden fuhren, aber in Wirklichkeit erschien es ihr unmöglich. Sie hatte den Film über die Kaperung des Containerschiffs Maersk Alabama gesehen und war überrascht gewesen, wie einfach es für die Piraten gewesen war, an Bord zu gelangen. Die Asaka Express hatte ungefähr die gleiche Größe wie die Maersk Alabama, aber Kapitän Conger hatte allen versichert, dass die Sicherheitsmaßnahmen seit diesem Vorfall erheblich verbessert worden waren.

Es schien, als würde es noch Verbesserungspotenzial geben.

Elodie nahm sich die Zeit, ihre Stiefel anzuziehen, die neben ihrem Bett standen, und griff nach ihrem Notfallfunkgerät. Allen Bordmitgliedern war so ein Gerät ausgehändigt worden. Sie konnte darüber mit der Brücke sprechen und bei Bedarf zusätzliche Frequenzen nutzen.

Sie griff nach dem Funkgerät wie nach einer Rettungsleine, öffnete ihre Tür und stieß einen kleinen Schrei aus, als sie auf dem Flur fast mit jemandem zusammenstieß.

»Ich wollte nur sichergehen, dass du wach bist«, sagte Manuel. Die Angst in seiner Stimme war leicht zu hören.

Elodie war die Chefköchin an Bord und hatte einen Assistenten, den zweiten Koch. Manuel war ihr unterstellt und für das Gebäck sowie dafür verantwortlich, die Besatzung und die leitenden Offiziere zu bedienen. Der Rest der Angestellten bestand aus Ingenieuren und sonstigen Offizieren. Sie war die einzige Frau an Bord. Anfangs hatte sie gedacht, dass es komisch sein könnte, aber die meisten Männer behandelten sie respektvoll und schenkten ihr nicht viel Aufmerksamkeit.

Einer der Offiziere, Valentino, hatte gedacht, sie würde sich die Chance, mit ihm ins Bett zu gehen, nicht entgehen lassen. Als sie höflich abgelehnt hatte, war er beleidigt gewesen. Seitdem versuchte sie, ihm aus dem Weg zu gehen.

»Rachel?«, fragte Manuel. Elodie schüttelte den Kopf und versuchte, sich auf die bevorstehende Katastrophe zu konzentrieren. »Was sollen wir machen?«

»Das, worauf wir trainiert wurden«, sagte sie zu ihm. Sie bedauerte es, keinen Namen gewählt zu haben, der ihrem eigenen ähnlicher war, aber sie hatte nicht wirklich eine Wahl gehabt. Sie hatte sich mit der Identität auf den gefälschten Dokumenten, die sie gekauft hatte, zufriedengeben müssen.

Der Grund, warum sie unter falscher Identität auftrat, war ein Thema für einen anderen Tag. Im Moment musste sie einen sicheren Unterschlupf finden, und ihr Zimmer war es definitiv nicht. Im Sicherheitstraining waren sie gewarnt worden, dass Piraten höchstwahrscheinlich die einzelnen Quartiere nach Wertsachen und Bargeld durchsuchen würden. Auf keinen Fall wollte sie von den Piraten entdeckt werden. Unter den anderen Männern der Besatzung fühlte sie sich relativ sicher, aber sie hatte keine Ahnung, was die Piraten tun würden, wenn sie eine Frau an Bord fänden.

»Geh runter in den Maschinenraum«, sagte Elodie zu Manuel.

»Was ist mit dir?«, erwiderte er.

»Ich gehe in die Kombüse. Ich kann mich in einem der Schränke verstecken, wenn es sein muss. Du bist zu groß dafür. Daneben gibt es noch die Gemüsekammer und den Kühlraum, in denen ich mich verkriechen kann. Außerdem wissen wir nicht, wie lange das alles dauern wird. Ihr braucht etwas zu essen, sollten die Piraten an Bord bleiben. Ich kann bei Bedarf Mahlzeiten über den Speiseaufzug in den Maschinenraum schicken. Es ist sicherer, wenn wir uns nicht zu viel auf dem Schiff bewegen, solange die Piraten an Bord sind.«

»Aber wenn diese Piraten länger bleiben, werden sie auch hier runterkommen. Sie werden nach Nahrung und Wasser suchen«, sagte Manuel ruhig.

Elodie wusste, dass er recht hatte, aber die Küche war der Ort, an dem sie sich am sichersten fühlte. Außerdem hatte der Kapitän gesagt, dass die örtlichen Behörden bereits informiert wurden. Sie wusste nicht, wen er kontaktiert hatte, aber sie vertraute darauf, dass diese Entführung nicht wochenlang dauern würde.

»Sie werden eine Weile mit anderen Dingen beschäftigt sein«, sagte Elodie zu ihrem Assistenten.

Manuel sah aus, als wollte er protestieren. Er wollte darauf bestehen, dass sie mit ihm kam, aber bei dem Geräusch einer Tür aus dem nahe gelegenen Treppenhaus sah Manuel erschrocken über seine Schulter und riss vor Entsetzen weit die Augen auf.

»Geh«, befahl Elodie.

Ohne ihn weiter drängen zu müssen, lief er endlich los, und zwar in die entgegengesetzte Richtung, aus der sie das Geräusch gehört hatten. Elodie hatte keine Ahnung, wie viele Piraten es waren und ob sie das Schiff bereits durchsuchten, aber sie würde definitiv nicht im Flur herumstehen und darauf warten, gefunden zu werden.

Sie war nicht so weit gekommen, nachdem sie dem, was in New York City passiert war, entkommen war, nur um jetzt ein paar dahergelaufenen Piraten in die Hände zu fallen. Sie hielt das Funkgerät fest und lief zum Treppenhaus. Der Maschinenraum erstreckte sich über vier Decks und es gab einen Eingang auf dieser Ebene. Die Kombüse befand sich zwei Decks über ihrer Kajüte. Sie musste sich beeilen.

»Manuel wird es gut gehen«, sagte sie leise. Sie hatte schon immer die Tendenz, mit sich selbst zu reden. Sie hatte versucht, es sich abzugewöhnen, aber ohne Erfolg. Sie hatte einen Großteil ihres Lebens allein verbracht und hatte sich angewöhnt, mit sich selbst zu reden, um die Monotonie zu durchbrechen.

»Walter hat alles unter Kontrolle«, murmelte sie, als sie vorsichtig die Tür zum Treppenhaus öffnete. Der Kapitän hatte alle gebeten, ihn beim Vornamen zu nennen. Obwohl es ihr zunächst seltsam vorgekommen war, hatte sie sich schnell daran gewöhnt. Er war Anfang fünfzig, hatte graue Haare und lächelte immer. Er war bodenständig und behandelte alle mit größtem Respekt. Sie respektierte ihn dafür ebenfalls und fühlte sich sicher mit ihm am Ruder.

John und Troy kamen ihr im Treppenhaus entgegen und liefen an ihr vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Sie waren Ingenieure und offensichtlich auf dem Weg in den Maschinenraum.

Sie hörte weitere Schritte aus Richtung der oberen Decks und nahm an, dass es Offiziere auf dem Weg zur Brücke waren. Elodie lief, so schnell sie konnte, zu dem Deck, auf dem sich die Kombüse befand.

Wie sie Manuel gesagt hatte, gab es viele Verstecke im Küchenbereich des Schiffes. Sie hatte sie bereits früher ausfindig gemacht, aber nicht aus Angst vor Piraten, sondern vor Paul Columbus.

Der Mann hatte ihr mehr als einmal prophezeit, dass der einzige Weg aus einer Anstellung bei ihm über einen Sarg führen würde. Sie glaubte ihm. Sie hatte nicht gewusst, dass er das Oberhaupt einer der gefährlichsten Mafia-Familien in New York war, als sie den Job als seine persönliche Köchin angenommen hatte. Sie war begeistert über die Gelegenheit gewesen, aus dem Restaurantgeschäft auszusteigen. Das gute Gehalt war auch schwer abzulehnen gewesen.

Anfangs hatte sie keine Ahnung gehabt, wie die Columbus-Familie ihre Millionen machte. Sie war einfach froh, in der Küche zu arbeiten, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern und köstliche Speisen für Paul und seine Gäste zuzubereiten. Aber irgendwann wurde ihr klar, dass der Mann, für den sie arbeitete, böse war. Es war ihm egal, wen er verletzte, solange er einen Weg fand, illegal Geld zu verdienen.

Alles, wovon sie in seinem Haus umgeben war, war mit schmutzigem Geld gekauft worden, sogar die Lebensmittel, deren Verarbeitung ihr so viel Freude bereitet hatte.

Elodie wusste, dass sie keine Zeit hatte, über alle Fehler nachzudenken, die sie in ihrem Leben gemacht hatte. Sie betrat die Offizierskantine. Alle Räume in diesem Teil des Schiffes waren in einer langen Reihe miteinander verbunden. Zuerst kam die Offizierskantine, dann die Offiziersvorratskammer, dahinter die Kombüse, dann die Vorratskammer der Besatzung und schließlich die Kantine für die Besatzung. Durch eine Tür in der Kombüse gelangte man in einen Flur, der zu den Lagerräumen für die Lebensmittel führte. Dort gab es verschiedene Gefrierschränke für Fisch und andere Lebensmittel und drei Kühlschränke sowie mehrere Vorratskammern zur Aufbewahrung trockener Lebensmittel.

Sie wusste genau, in welchen Schränken sie sich verstecken konnte und wie sie unbemerkt zu den Speiseaufzügen und zum Treppenhaus gelangen könnte, wenn sie musste. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich im Maschinenraum hätte verstecken sollen, was ein weiterer Grund war, warum sie lieber hier sein wollte. Hier fühlte sie sich sicherer. Sie wusste, dass die Piraten sich irgendwann auf den Weg in die Kombüse machen würden, wenn sie länger blieben, so wie Manuel es gesagt hatte. Auch wenn das die Situation gefährlicher für sie machte, würde sie alles dafür tun, um dafür zu sorgen, dass ihre Ausflüge in die Kombüse so kurz wie möglich blieben.

Elodie steckte das Funkgerät in eine der großen Taschen in ihrer Cargohose und machte sich an die Arbeit. Sie schob drei Träger mit Wasserflaschen in den Hauptbereich der Küche, wo sie leicht zu sehen waren. Dann holte sie mehrere Kisten mit Crackern, ein paar Brote und Tüten mit Kartoffelchips heraus und verteilte sie strategisch in der Kombüse und in den beiden Vorratskammern. Die Lebensmittel wurden eigentlich in Schränken aufbewahrt und so gesichert, dass die Kisten und Dosen bei rauer See nicht herumflogen. Sie wollte aber, dass die Nahrungsmittel für die Piraten leicht zugängig waren, ohne dass es so aussah, als wären sie absichtlich stehen gelassen worden. Sie wollte, dass die Piraten bei dem Anblick der Vorräte dachten, sie hätten einen Volltreffer gelandet, und sich nicht die Mühe machten weiterzusuchen.

Elodie fuhr sich mit dem Arm über die Stirn. Sie schwitzte und hasste es, nicht zu wissen, was hoch über ihr auf der Brücke vor sich ging. Waren die Piraten schon an Bord? Waren sie bereits auf der Brücke angekommen? Hatten sie den Kapitän und die anderen Offiziere womöglich verletzt?

Aber vor allem, was wollten sie?

Plötzlich brüllte es aus dem Funkgerät, das sie in ihre Hose gestopft hatte, und Elodie erschreckte sich.

»Heiliger Strohsack!«, rief sie aus, legte eine Hand auf ihr rasendes Herz und zog mit der anderen das Funkgerät heraus. Die Stimmen waren gedämpft, aber sie konnte hören, wie Männer mit starkem Akzent brüllten und wie Walter versuchte, sie zu beruhigen.

Elodie war verwirrt über das, was sie vernahm. Sie stand mitten in der Kombüse und versuchte zu verstehen, was los war. Es dauerte eine Minute, bis sie begriff, dass jemand auf der Brücke eines der Funkgeräte aktiviert hatte, damit alle anderen an Bord hören konnten, was vor sich ging.

Sie bekam Gänsehaut, als sie hörte, wie Walter sein Bestes gab, um die Piraten zu besänftigen. Es war schwer herauszufinden, wie viele es waren, aber es schienen mehr als nur eine Handvoll zu sein. Ihr Magen zog sich vor Angst zusammen. Je mehr Piraten es wären, umso einfacher wäre es, das Schiff zu kontrollieren. Ein paar Piraten könnten beim Kapitän und den Offizieren auf der Brücke bleiben, während die anderen die Decks durchstreiften, um nach der Besatzung und Wertsachen zu suchen. Mit Schrecken dachte Elodie daran, als Geisel zur Lösegelderpressung festgehalten zu werden. Ihr Gesicht würde überall in den Nachrichten zu sehen sein ... was bedeutete, dass Paul Columbus und sein Verbrechernetzwerk leichtes Spiel hätten, sie zu finden.

»Wo ist der Safe?«, fragte einer der Piraten laut.

»Nicht hier. Er ist unten in einem der Kartenräume«, sagte Walter zu ihm.

»Du gehst und holst Geld.«

»Sie können alles Geld bekommen, was wir haben, und dann verschwinden Sie wieder«, sagte Walter.

»Nein, geh«, sagte ein anderer Mann streng. »Du wirst Schiff dahin bringen, wo wir sagen. Unsere Männer kommen. Du öffnest Container.«

»Das ist ... das ist nicht sicher«, stammelte Walter.

»Du nicht kümmern. Wir öffnen. Du fährst!«, schrie der Mann.

Dann hörte Elodie eine Rauferei und noch mehr Schreie. Dann einen Schuss – sie hielt den Atem an und wartete, um zu hören, ob jemand verletzt worden war.

»Halt! Okay, okay! Wir werden die Container öffnen, aber schießen Sie nicht noch einmal!«, schrie Walter verzweifelt.

Die Piraten lachten nur.

»Wir schießen, wann und wo wir wollen. Wir erschießen dich, wenn du uns nicht gibst, was wir wollen. Keine Geiseln, zu schwer, um Geld zu bekommen. Aber wenn du nicht tust, was wir sagen, töten wir«, sagte einer der Piraten.

»Ihr könnt Walter nicht erschießen«, flüsterte Elodie. »Wir brauchen ihn, um dieses verdammte Ding zu steuern.«

Als hätte der Kapitän sie gehört, entgegnete er: »Wenn Sie mich und meine Offiziere töten, wird dieses Schiff auf Grund laufen. Der Bab el-Mandeb ist verdammt schwierig zu passieren.«

»Ich bin Fischermann. Ich kann Boot fahren«, sagte einer der Piraten unbesorgt.

Elodie lachte leise. Ein Superschiff wie dieses zu steuern war etwas ganz anderes als die kleinen Boote, an die die Piraten wahrscheinlich gewöhnt waren.

»Wir wissen, dass noch mehr Leute an Bord sind«, sagte jemand anderes. »Wir werden sie finden und töten, wenn du nicht tust, was wir verlangen.«

»Niemand muss verletzt werden«, sagte Walter schnell. »Wir werden tun, was Sie wollen, solange niemand meiner Crew verletzt wird.«

Wieder gab es das Geräusch einer Rauferei, bevor die Piraten sich in einer Sprache unterhielten, die Elodie nicht verstehen konnte.

Die Dinge gerieten außer Kontrolle und sie hatte Angst. Walter hatte gesagt, er hätte die Behörden informiert. Jemand würde kommen, um ihnen zu helfen, oder? Hatte die US-Marine keine Schiffe in diesem Teil der Welt? Es war ihr unergründlich, wie diese Piraten einfach ein riesiges Containerschiff entführen können.

Elodie entschied, dass es im Moment das Beste wäre, sich zu verstecken, und verließ die Kombüse, um sich in eine der Vorratskammern zu begeben. Im hinteren Teil des Raumes befand sich ein Schrank, in den sie hineinpassen würde. Sie quetschte sich in den engen Raum und stellte ein paar große Kartoffelsäcke und andere Dinge vor sich. Es würde niemanden täuschen, wenn sie wirklich nach versteckten Menschen suchten, aber sie hoffte, es würde reichen, falls jemand nur die Tür öffnete, um hineinzuschauen.

Sie hielt das Funkgerät in ihrem Schoß und starrte es an. Sie konnte es im Dunkeln nicht wirklich sehen, aber die Lichter des Gerätes beruhigten sie. Geistig begann sie, sich Notizen über das zu machen, was sie gehört hatte. Sie wusste nicht, ob es von Nutzen sein würde, aber vielleicht könnte sie nach ihrer Rettung helfen, indem sie erzählte, was passiert war.

Elodie mochte kein Drama. Sie war eine Köchin, um Himmels willen. Wie konnte ein Mensch im Leben nur so viel Pech haben? Paul Columbus hatte bereits geschworen, sie zu töten, weil sie sich geweigert hatte, länger für ihn zu arbeiten, und jetzt versteckte sie sich auf hoher See vor Piraten.

Sie hatte doch immer nur ein ruhiges Leben führen wollen. Vielleicht einen Mann finden und heiraten, ein oder zwei Kinder haben und Gerichte zubereiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Jetzt war sie fünfunddreißig Jahre alt und irgendwo unterwegs war ihr simpler Lebensplan vollkommen entgleist.

Dieser Containerschiffjob schien ein Segen gewesen zu sein. Sie hatte das Land verlassen können, um sich von Columbus und seiner Bande abzusetzen, die versuchten, sie um die Ecke zu bringen. Was gab es da Schöneres, als auf einem Schiff mitten auf dem Meer isoliert zu sein? Weit weg und in Sicherheit.

»Ja, in Sicherheit«, murmelte sie, schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Rückwand des Schranks. Sie musste daran glauben, dass es bald vorbei sein würde. Walter würde tun, was die Männer wollten, sie würden alle Wertsachen bekommen, die sie in den Containern finden würden. Dann würden sie dahin zurückgehen, wo sie hergekommen waren, und sie und der Rest der Crew könnten mit ihrem Leben weitermachen.

Genau so würde es in einem Hollywood-Film passieren, aber das hier war das echte Leben. Und bei ihrem Glück würde sie wahrscheinlich als Geisel genommen und gezwungen werden, einen afrikanischen Stammeshäuptling zu heiraten.

* * *

Scott »Mustang« Webber sah zu seinem SEAL-Team hinüber. Midas, Aleck, Pid, ​​Jag und Slate konzentrierten sich ganz auf den Papierkram vor ihnen. Sie waren gerade auf einer Mission in Pakistan gewesen, als sie über eine Planänderung informiert wurden. Sie wurden aus der Wüste abgezogen und mit einem Hubschrauber zur USS Paul Hamilton geflogen, einem Kriegsschiff mit Lenkraketen, das derzeit an einer gemeinsamen Operation verschiedener Navy-Einheiten im Arabischen Meer teilnahm. Zu den anderen Schiffen in der Region gehörten die USS Lewis B. Puller, die USS Firebolt, die USCGC Wrangell und die USCGC Maui. Nachdem sie an Bord gekommen waren, wurden sie sofort in einen Konferenzraum gebracht, wo der Admiral sie über ihre aktuelle Mission auf den neusten Stand brachte.

Anscheinend war ein mittelgroßes Containerschiff im Golf von Aden von Piraten gekapert worden. In dem Notruf, den der Kapitän abgesetzt hatte, hieß es, dass eine unbekannte Anzahl von Piraten an Bord gekommen wäre und dass sie so schnell wie möglich Hilfe bräuchten. Seitdem gab es keine weitere Kommunikation mehr mit dem Kapitän oder den Piraten.

Die USS Paul Hamilton war zusammen mit anderen Schiffen auf dem Weg, aber im Moment hatten sie keine weiteren Informationen.

Mustang erinnerte sich, von dem Vorfall mit der Maersk Alabama gehört zu haben, wo die Piraten von Navy SEAL Scharfschützen ausgeschaltet worden waren, nachdem sie den Kapitän in eines der Rettungsboote des Containerschiffes gezwungen hatten. Mustang und sein Team waren keine Scharfschützen und ehrlich gesagt hasste er Rettungsaktionen, bei denen es so eng zuging wie auf einem Rettungsboot. Er zog es vor, mit den Piraten direkt auf dem Containerschiff zusammenzutreffen. Da gab es viel Platz, um sich zu verstecken und die Piraten nacheinander auszuschalten.

»Wohin sind sie unterwegs?«, fragte Midas.

»Im Moment sieht es so aus, als wären sie noch auf ihrem geplanten Kurs«, sagte der Admiral. »Westlich in Richtung Dschibuti. In Kürze sollten sie nach Norden einschlagen und durch die Bab el-Mandeb Meeresstraße fahren, bevor sie in Bur Sudan anlegen.«

»Das ist eine ziemlich schwierig zu navigierende Route«, bemerkte Aleck.

»Das stimmt«, bestätigte der Admiral.

»Wissen wir, welcher Nationalität die Piraten angehören oder was ihr Plan ist?«, fragte Pid.

»Leider noch nicht. Wir haben versucht, sie zu kontaktieren und dazu zu bringen, mit uns zu sprechen, aber entweder ist ihre Kommunikation unterbrochen oder wir werden absichtlich ignoriert.«

»Scheiße«, fluchte Jag leise.

Mustang nickte. Ohne Informationen war es fast unmöglich, einen Plan auszuarbeiten.

Fast unmöglich.

»Also gehen wir blind rein?«, fragte Slate.

Mustang musste lächeln. Slate war normalerweise der Erste, der sich freiwillig für eine gefährliche Mission meldete. Er konnte es meistens kaum erwarten, die Show zu starten.

»Solange wir niemanden dazu bringen können, mit uns zu sprechen ... ja«, antwortete Mustang, bevor der Admiral es konnte.

Es war ein glücklicher Zufall gewesen, dass sie bereits in der Gegend waren und von ihrer vorherigen Mission abgezogen werden konnten. Das Team war in der Vergangenheit schon auf einigen Containerschiffen gewesen und kannte sich mit den vielen Fluren, Ecken und Schlupfwinkeln gut aus. So sehr er es hasste, dass die Besatzungsmitglieder an Bord der Asaka Express wahrscheinlich Angst hatten, freute er sich doch auf die Herausforderung, jeden einzelnen Piraten zu finden und auszuschalten.

»Tut mir leid, dass ich Sie unterbrechen muss, Sir«, sagte ein Leutnant, als er den Kopf durch die Tür steckte.

»Was gibt es?«, fragte der Admiral.

»Wir haben Funkkontakt mit der Asaka Express.«

»Zum Glück, verdammt«, sagte Midas.

»Können Sie es durchstellen?«, fragte der Admiral.

»Jawohl, einen Augenblick.« Der Leutnant verschwand wieder.

Mustang und sein Team warteten ungeduldig darauf, dass die Verbindung zum Containerschiff hergestellt wurde. Als das Funkgerät in der Mitte des Tisches endlich ertönte, blinzelte Mustang überrascht über die Stimme am anderen Ende.

»Hallo? Ist da jemand?«

»Ja, Ma’am, Sie wurden verbunden. Bitte erzählen Sie dem Admiral, was Sie mir gerade erzählt haben.«

»Oh, okay. Ich bin auf der Asaka Express und es sind Piraten an Bord. Wir brauchen Hilfe.« Die Stimme der Frau zitterte. Sie hatte offensichtlich Angst, versuchte aber, ruhig zu bleiben.

»Hier spricht Admiral Light, Befehlshaber der USS Paul Hamilton. Wir sind auf dem Weg in Ihre Richtung. Wie ist Ihr Name?«

»El- … ähm … Rachel Walters.«

Mustang sah zu Jag hinüber, der eine Augenbraue hob, als er ihre Antwort hörte. Die meisten Menschen hatten keine Probleme, sich an ihren Namen zu erinnern. Selbst in einer extrem stressigen Situation wie der, in der sich Miss Walters befand.

»Und in welcher Funktion arbeiten Sie an Bord?«

»Meine Funktion? Ich bin die Köchin.«

Es war nicht ungewöhnlich, Frauen an Bord großer Containerschiffe zu haben, die durch die Gewässer im Nahen Osten fuhren. Aber es war selten genug, um interessant zu sein.

»Was können Sie uns über die Situation erzählen?«, fragte Admiral Light.

»Richtig, ähm, ich kann nur sagen, was ich gehört habe. Ich …«

»Was meinen Sie mit gehört haben?«, unterbrach Mustang sie.

»Oh, äh ... sind da noch mehr außer dem Admiral?«, fragte sie.

»Ja«, antwortete Mustang. »Mein SEAL-Team ist ebenfalls anwesend. Wir werden Ihnen helfen, aber wir brauchen so viele Informationen, wie Sie uns geben können, bevor wir das tun können. Wie viele Piraten sind an Bord?«

»Hier ist das Ding«, sagte Rachel, »ich habe noch keinen von ihnen gesehen. Sie haben einen ziemlich starken Akzent und es fällt mir schwer, sie zu verstehen. Walter ... äh ... Kapitän Conger sagte, dass sich alle an Bord verstecken sollen, was ich getan habe. Ich bin in der Kombüse ... nun, nicht direkt in der Kombüse, sondern in einer der Vorratskammern. Ich habe ein Funkgerät und einer der Offiziere muss ein Funkgerät auf der Brücke eingeschaltet haben. Ich kann alles hören, was dort oben vor sich geht, aber es ist schwer zu verstehen. Ich kann nicht sehen, was passiert.«

»Wie viele Besatzungsmitglieder sind an Bord?«, fragte Aleck.

»Zweiundzwanzig, einschließlich mir«, antwortete Rachel, ohne zu zögern.

»Auf welchem ​​Kanal haben Sie die Brücke gehört?«, fragte Pid.

»Zehn.«

»Und auf welchem ​​Kanal senden Sie gerade?«, fragte Pid weiter.

»Äh … fünf, denke ich. Ich habe nur durch die Kanäle geschaltet, um zu sehen, ob mich jemand hören kann, bis Sie geantwortet haben.«

Pid griff in seinen Rucksack auf dem Boden und begann, darin herumzuwühlen. Er war der Elektronikexperte des Teams. Mustang wusste, dass er versuchen würde, die von Rachel verwendete Radiofrequenz zu nutzen, um selbst zu hören, was auf der Brücke der Asaka Express vor sich ging.

»Wenn Sie raten müssten, was denken Sie, wie viele Piraten an Bord des Schiffes sind?«, fragte der Admiral.

Mustang hörte, wie Rachel seufzte. »Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Wir haben alle geschlafen, als es passierte. Wir sind erst aufgewacht, als der Kapitän eine Durchsage machte, um uns zu warnen. Aber ich denke, es sind mehr als nur eine Handvoll. Es war die Rede davon, das Schiff zu durchsuchen, und ich bin mir nicht sicher, ob sie das tun würden, wenn es nur drei oder vier Männer wären, aber ich bin keine Expertin für die Kaperung von Schiffen, also weiß ich es nicht genau. Sie wollen Geld und der Kapitän soll die Container öffnen. Sie sagten etwas darüber, dass weitere Männer an Bord kommen würden, sobald wir irgendwo ankommen, und dass sie keine Geiseln wollen.«

Keine Geiseln zu wollen könnte gut oder schlecht sein. Es könnte bedeuten, dass die Piraten wirklich nur auf Bargeld und Wertsachen aus waren. Nach dem Vorfall mit der Maersk Alabama, wo der verantwortliche Pirat in den USA im Gefängnis gelandet war und seine Kameraden getötet worden waren, hatte die Geiselnahme bei Piratenüberfällen nachgelassen. Keine Geiseln zu nehmen könnte aber auch bedeuten, dass das Leben jedes einzelnen Besatzungsmitglieds in Gefahr war. Es wäre einfacher, die Mannschaft zu erschießen, als zu versuchen, zwei Dutzend Männer in Schach zu halten.

Mustang wollte lieber nicht darüber nachdenken, was sie einer Frau antun könnten, wenn sie sie an Bord finden würden.

»Oh, Mist ... ich höre etwas«, sagte Rachel.

»Bleiben Sie ruhig und drehen Sie die Lautstärke des Funkgerätes herunter, aber trennen Sie nicht die Verbindung«, befahl Mustang.

»Okay … ähm … darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen? Ich denke ... es fühlt sich persönlicher an.«

»Ich bin Mustang«, sagte er zu ihr. »Und meine Teammitglieder sind Midas, Aleck, Pid, Jag und Slate.«

Eine Sekunde lang herrschte Stille, dann war ein leises Atmen zu hören. »Warum musste ich auch fragen«, murmelte sie.

Mustang hatte nicht einmal darüber nachgedacht, wie seltsam es für Zivilisten klingen konnte, als er ihr die Spitznamen der Teammitglieder genannt hatte. »Scott«, sagte er leise. »Ich heiße Scott.«

»Scott. Okay«, flüsterte sie und holte erschrocken tief Luft, als plötzlich ein lauter Knall zu hören war.

Alle sechs SEALs beugten sich vor, als könnte das irgendwie dazu beitragen, die Frau am anderen Ende der Leitung vor dem zu beschützen, was gerade geschah. Admiral Light saß angespannt auf seinem Stuhl und hörte ebenfalls aufmerksam zu.

Im Hintergrund waren laute Stimmen zu hören. Mustang schloss die Augen und versuchte zu verstehen, welche Sprache gesprochen wurde. Er war kein Sprachexperte, aber es klang für ihn wie eine Mischung aus Arabisch und Französisch.

»Hören Sie auf, mich zu schubsen«, sagte eine Männerstimme auf Englisch.

Rachels Atem war laut und schnell zu hören. Mustang wollte sie trösten, ihr sagen, sie solle langsamer atmen, bevor sie ohnmächtig wurde, aber er konnte es nicht riskieren, auch nur ein Wort zu sagen und womöglich ihr Versteck zu verraten.

»Hier ist niemand«, sagte der Mann, der Englisch sprach.

»Männer werden es bereuen, sich nicht zu zeigen«, sagte ein Mann, der seinem Akzent nach einer der Piraten sein musste.

»Wo mehr Essen?«, fragte ein anderer Mann.

»Es gibt ein paar Gefrierschränke und mehr Stauraum in diesem Flur«, sagte das Besatzungsmitglied, »aber die Nahrungsmittel, die ohne lange Zubereitung gegessen werden können, befinden sich in den Vorratskammern an den Seiten der Kombüse. Dort werden Snacks aufbewahrt. Da hinten sind hauptsächlich Mehl, Zucker und solche Sachen. Dinge zum Kochen.«

»Zeig uns diese Vorratskammern. Und mach keine Dummheiten.«

»Tue ich nicht«, sagte der Offizier. »Ich mache genau das, was Sie mir sagen.«

»Wir werden zurückkommen, um Wasser und Essen zu holen«, sagte einer der Piraten. »Jetzt suchen wir nach Geld.«

Die Männer im Konferenzraum konzentrierten sich auf die Geräusche der sich entfernenden Schritte und versuchten, weitere Fetzen des Gesprächs mitzubekommen. Aber alles, was sie hören konnten, waren Rachels verängstigte Atemzüge.

»Du bist okay«, sagte Mustang nach einem langen Moment leise und konnte nicht länger schweigen. »Sie haben dich nicht gefunden.«

»Ich weiß«, flüsterte sie mit einer so leisen Stimme zurück, dass alle Mühe hatten, sie zu hören.

»Wer war das?«, fragte Midas.

»Ich glaube, das war Bryce ... einer der Offiziere, die mit dem Kapitän auf der Brücke arbeiten.«

Mustang sah, wie der Admiral den Namen aufschrieb, obwohl er sicher war, dass jemand bereits daran arbeitete, eine Liste aller Besatzungsmitglieder an Bord der Asaka Express zu bekommen.

»Hast du einen dieser beiden Piraten zuvor schon einmal gehört?«, fragte Aleck.

»Ich weiß es nicht. Es tut mir leid. Gott, ich wünschte, ich wäre besser darin«, stöhnte sie.

»Du machst das gut«, beruhigte Mustang sie.

»Nein, tue ich nicht. Bisher habe ich euch noch nichts gesagt, was ihr wahrscheinlich nicht schon wusstet«, widersprach sie.

»Abgesehen von dem Notruf bist du der erste Kontakt, den wir mit dem Schiff haben«, konterte Mustang.

»Wirklich?«, fragte Rachel. »Das ist komisch. Ich meine, wir wurden alle darin geschult, mit dem Funkgerät Hilfe zu rufen.«

»Sind die anderen im Maschinenraum oder weiter unten im Rumpf des Schiffes?«, fragte Pid.

»Ich vermute, die meisten sind im Maschinenraum. Dort ist es laut und es ist leichter, sich zu verstecken. Der Lärm der Motoren übertönt versehentliche Bewegungen oder ein Husten«, sagte Rachel.

»Weiter unten im Schiff wäre durch die Stahlwände auch die Funkverbindung gestört«, sagte Pid.

»Ich denke, das macht Sinn«, überlegte Rachel.

»Warum bist du nicht im Maschinenraum?« Mustang konnte nicht anders, als zu fragen.

»Ich bin die Köchin«, sagte Rachel zu ihm, als würde das alles erklären.

»Und?«, fragte Slate.

»Je nachdem, wie lange die Piraten an Bord bleiben, werden die Männer Nahrung und Wasser brauchen.«

Mustang schüttelte den Kopf. Er war beeindruckt von Rachels Engagement für ihre Arbeit, aber sie brachte sich selbst in Gefahr. Jemand auf dem Schiff hätte doch sehen müssen, dass Rachel neben dem Kapitän wahrscheinlich die verletzlichste Person der Besatzung war. Die Piraten könnten sie benutzen, um die anderen Besatzungsmitglieder zu zwingen, ihre Forderungen zu erfüllen.

Er wollte nicht einmal darüber nachdenken, wofür sie sie noch benutzen oder missbrauchen könnten.

»Ich bin drin«, sagte Pid triumphierend und deutete auf das Funkgerät vor ihm.

»Schon?«, fragte der Admiral.

»Er meint, warum hast du so lange gebraucht?«, korrigierte Aleck mit einem Grinsen.

»Du bist drin?«, fragte Rachel.

»Ich habe mich in deine Funkfrequenz eingeklinkt. Wir sprechen jetzt auf Kanal zehn.«

»Ach so, okay, gut«, sagte Rachel. »Also ... das heißt, dass ihr kommt?«

»Ja«, sagte Mustang. Er wollte ihr versichern, dass sie bald da sein würden, aber leider funktionierte das bei der Navy nicht so schnell. Sie mussten Pläne machen, das Schlauchboot vorbereiten und vor allem auf die Nacht warten … die noch viel zu lange entfernt war.

»Die Crew verwendet Kanal drei«, erklärte sie ihnen. »Sobald ihr hier seid und die Piraten getötet habt, könnt ihr allen über diesen Kanal mitteilen, dass es sicher ist herauszukommen.«

»Blutrünstiges kleines Ding«, sagte Jag leise. »Ich mag sie.«

»Danke, dass du uns das mitgeteilt hast«, sagte Mustang und ignorierte seinen Teamkameraden. Er war nicht überrascht, dass eine Frau, die auf einem Containerschiff arbeitete, ziemlich rau sein musste. Er stellte sich vor, dass sie wie eine typische Schiffsköchin aussah ... eine ältere, große, übergewichtige Frau mit fleckiger Schürze, vielen Tätowierungen, kurzen Haaren und etwas unhöflich.

Sofort fühlte er sich wie ein Idiot, weil er überhaupt an ihr Aussehen gedacht hatte. Das war im Augenblick unwichtig. Außerdem schloss er aus dem Klang ihrer Stimme, dass sie wahrscheinlich in seinem Alter war, Mitte dreißig oder jünger, und sie schien auch kein bisschen unhöflich zu sein. Sie tat ihr Bestes, ruhig zu bleiben und ihnen so viele Informationen zu geben, wie sie konnte. »Du bleibst in deinem Versteck, egal was passiert, okay?«

»Okay – aber Scott?«

Es fühlte sich etwas seltsam an, seinen Vornamen zu hören. Es war lange her, dass jemand ihn so genannt hatte, aber schließlich antwortete Mustang: »Ja?«

»Was ist, wenn sie drohen, die Offiziere zu töten, wenn wir uns nicht zeigen? Was sollen wir dann machen?«

»Scheiße«, sagte Slate leise.

»Sie bleiben, wo Sie sind«, sagte der Admiral streng. »Unter keinen Umständen sollten Sie oder jemand anderes sich selbst in Gefahr bringen.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier sitzen und dabei zuhören kann, wie sie die Männer umbringen, die meine Freunde geworden sind«, antwortete Rachel.

»Ich wünschte, ich hätte eine bessere Antwort«, warf Mustang ein. »Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass die Piraten nur bluffen und niemanden töten werden. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass sie ihre Drohungen nicht umsetzen, wenn du oder jemand anderes auf die Brücke geht. Aber es ist nicht vorherzusehen, was diese Männer tun werden.«

»Und ich bin eine Frau«, flüsterte Rachel.

»Und du bist eine Frau«, stimmte Mustang zu. »Wir sind auf dem Weg«, versicherte er ihr.

»Ich weiß nicht, wie die Piraten an Bord gekommen sind«, sagte Rachel, »aber ganz vorne befindet sich ein Loch im Schiff. Nicht wirklich ein Loch, aber so etwas wie ... eine Ladeluke. Verdammt, ich kenne das offizielle Wort dafür nicht. Als Walter uns das Schiff gezeigt hat, hat er noch gescherzt, dass es groß genug wäre, dass dort ein Mensch durchpassen könnte. Da sich die Brücke im hinteren Teil des Schiffes befindet und die hoch gestapelten Container die Sicht versperren, würde niemand bemerken, wenn auf diese Weise jemand an Bord käme.«

Mustang sah seine Teamkameraden an und lächelte. Sie machten sich nicht über sie lustig. Es war offensichtlich, dass diese Frau Angst hatte und dennoch ihr Bestes gab, um zu helfen, was sie zu schätzen wussten. Es war aber auch offensichtlich, dass Rachel nicht genauer über ihren Vorschlag nachgedacht hatte. Es wäre höllisch gefährlich zu versuchen, über die Vorderseite eines sich bewegenden Schiffes an Bord zu gelangen. Auf dem Deck würde es außerdem kaum Deckung geben.

»Danke für den Vorschlag«, sagte Midas diplomatisch.

»Bitte.«

»Bleib auf dieser Frequenz«, bat Pid, »damit wir mit dir in Verbindung bleiben können.«

»Aber dann kann ich nicht mehr hören, was mit Walter und den anderen auf der Brücke los ist«, sagte sie.

Mustang nickte seinem Teamkameraden zu. Es war ein guter Vorschlag. Sie wollten nicht, dass sie alles mithören müsste, wenn es zum Äußersten käme. »Aber wir können es hören«, sagte er.

»Oh, richtig. Das hatte ich vergessen. Okay, werdet ihr – ach, egal.«

»Was?«, fragte Mustang.

»Nein, es ist dumm.«

»Was?«, fragte er energischer.

»Ich wollte nur fragen, ob ihr mich ab und zu übers Funkgerät wissen lassen könnt, dass ihr immer noch da draußen seid und uns zu Hilfe kommt. Ich habe Angst. Wenn ich weiß, dass jemand kommt, fühle ich mich besser.«

»Ja«, versprach Mustang, »wir werden ständig in Kontakt bleiben, weil wir wissen müssen, was unter Deck vor sich geht.« Das stimmte allerdings nur zum Teil. Da Pid sie mit dem Kanal verbunden hatte, den einer der Offiziere auf der Brücke geöffnet hatte, könnten sie zwar hören, was in dem wichtigsten Raum des Schiffes vor sich ging, aber das würde nicht helfen, wenn die Piraten sich aufteilten.

»Okay. Danke, dass ihr kommt. Seid vorsichtig! Diese Piraten klingen wirklich … wütend.«

Wann hatte ihnen – einem bösen, starken Team von Navy SEALs – das letzte Mal jemand gesagt, sie sollten vorsichtig sein? Wie wäre es mit noch nie? »Werden wir«, entgegnete Mustang. »Versuche, ruhig zu bleiben, und pass auf dich auf.«

»Ich werde mir Mühe geben.« Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Was jetzt? Sagen wir uns jetzt immer und immer wieder gegenseitig, wir sollen auf uns aufpassen?«

Midas lachte leise.

»Das ist nicht nötig. Wir werden uns wieder bei dir melden«, versprach Mustang.

»In Ordnung. Okay. Äh ... dann tschüss.«

Mustang schüttelte den Kopf. Verflucht, sie war bezaubernd. Und es war vollkommen unangebracht, mitten in einer verdammten Operation so über jemanden zu denken.

Dann hatte er keine Zeit mehr, noch länger über Rachel Walters nachzudenken, denn Pid drehte das Funkgerät auf dem Kanal auf, der mit der Brücke des anderen Schiffes verbunden war. Sie mussten Informationen sammeln und einen Plan machen, wie sie ein Schiff mit fast zwei Dutzend Besatzungsmitgliedern befreien sollten.